In eigener Sache …

Es gibt leider Menschen (den Begriff OM lasse ich besser mal außen vor) die der Meinung sind jedes doch so kleine Makel anderer für ihre Zwecke ausschlachten zu müssen. So auch bei mir. Ja, ich bin alkoholkrank und habe das Glück seit mehreren Jahren trocken leben zu dürfen.

Der Weg in die Krankheit ist sehr differentiell und hat am wenigsten nur mit „Saufen“ zu tun. Die akute Zeit meiner Krankheit war für mich aber hauptsächlich auch für meine Angehörigen, Freunde und Bekannten nicht angenehm. Mit viel Anstrengung habe ich es da hinaus geschafft und trotz schon nun längeren trockenen Leben ist jeder Tag ein Kampf mit mir selbst. Nun mag zwar der eine oder andere denken „Der brauch ja nur aufhören zu trinken“, dem ist aber nicht so. Man muss sein komplettes Leben umstellen. So auch bei mir. Die ersten Wochen ohne den so gern benutzten Stoff waren damals die Hölle. Das körperliche weniger aber der Kopf wollte immer noch. Ich hatte das Glück, das sich damals Freunde meiner angenommen haben, mir vertrauten und jeden Tag in der ersten Zeit Rückhalt und Beschäftigung gaben. So konnte ich wieder in kleinen Schritten ins normale Leben zurückfinden. Anfangs konnte ich durch Arbeit wieder Selbstwertgefühl sammeln und zu meinen Hobbys neu finden.

Nachdem ich einigermaßen stabil war ermutigten Sie mich noch einmal ein Studium zu wagen das ich vollkommen ohne fremde finanzielle Hilfe absolvieren und erfolgreich abschließen konnte. Zwischenzeitlich habe ich nun auch eine super  Arbeitsstelle gefunden. Für diese Unterstützung bin ich unendlich dankbar. Wärt Ihr nicht gewesen könnte man mich jetzt regelmäßig am Sonntag mit Blumen am Friedhofsweg 10 besuchen. Die Ärzte, Therapeuten und viele andere hatten mich schon lange aufgegeben.

Ich verstehe nicht warum nun einige Leute der Meinung sind auf dieser Erkrankung herumreiten und ihre dumme Sprüche loslassen müssen. Seit Ihr diesen Weg gegangen? Wenn nicht, sage ich es einfach mal mit den Worten von Dieter Nuhr „Wenn man keine Ahnung hat – einfach mal die Fresse halten!“. Noch schlimmer ist es das Amtsinhaber im DARC ihr Halbwissen um meine Erkrankung nutzen um sich profilieren zu wollen. Ich frage mich ob das so im Sinn des DARC ist.

Vor einigen Tagen fragte mich ein Kollege wann mein Geburtstag ist. Die einzige ehrliche Antwort die ich Ihm darauf geben konnte war „An jeden der 365 Tage im Jahr. Jeder Tag an dem ich nicht trinke ist mein Geburtstag“. Damit möchte ich auch mal eine Floskel korrigieren – es heißt nicht ich „darf“ nicht trinken sondern ich „will“ nicht mehr trinken.
Ich muss mit dieser Krankheit bis zum Ende meines Lebens leben. Ich kann sie nicht heilen, das kann niemand, sondern nur stoppen. Also verbitte ich mir gefälligst jede dumme Anspielung darauf. Wenn sie jemanden zustehen dann nur mir selber. Es bleibt wie gehabt, wenn jemand Fragen dazu hat beantworte ich sie gern.

Zum Schluss möchte ich gern Friedrich von Bodelschwingh zitieren, vielleicht regt das zum Nachdenken an

Wenn du einem Trinker begegnest,
dann begegnest du einem Helden.
Es lauert in ihm der Todfeind.
Es bleibt behaftet mit seiner Schwäche
und setzt seinen Weg fort,
durch eine Welt der Trinkunsitten.
In einer Umgebung,
die ihn versteht,
in einer Gesellschaft
die sich berechtigt hält,
in jämmerlichen Unwissenheit
auf ihn herabsehen,
als auf einen Menschen zweiter Klasse.
Weil er wagt gegen den Alkoholstrom
zu schwimmen.
Du solltest wissen:
Er ist ein Mensch erster Klasse!

73 Nico

4 Replies to “In eigener Sache …”

  1. Hallo Nico,

    ich beneide dich um deinen Mut damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir kennen uns jetzt schon viele Jahre und daher kenne ich deine Geschichte.

    Wir hatten uns damals das erste mal beim schon historischen Hausbau getroffen. Irgendwann mal warst du wegen einem kleinen Fehler in meinen Stromkasten bei mir. Meine Frau hat erst einmal einen Herzinfarkt bekommen als du mit den Spruch dat geht so nicht den ganzen Kasten auseinandergenommen hast. Seitdem funktioniert aber endlich alles.

    Wir haben dich als Freund mit Ecken und Kanten kennengelernt der zu seinem Wort steht. Immer hast du einen netten Spruch auf den Lippen und nimmst das Leben mit Humor. Mach weiter so und lass dich nicht unterkriegen. Du bist auf dem richtigen Weg. Alle die da über dich spotten haben doch selber ein Problem.

    Ich freue mich schon auf unseren nächsten Männerabend wenn Du mir beweist das nicht der Computer dumm ist sondern nur die Person vor dem Bildschirm.

    Bis dahin
    Frankieboy

    • Moin Frankyboy,

      vielen Dank für Deine aufmunternden Worte. An die Geschichte mit deiner Verteilung kann ich mich noch mit einem Grinsen im Gesicht erinnern. Leider wohne ich jetzt doch etwas weiter weg von Euch um mal „auf dem Sprung“ vorbeizukommen. Ab und an bin ich aber in meiner alten Ecke und dann mache ich gern wieder Eure Kaffeebüchse leer.

      VG
      Nico

  2. Hallo Nico,

    Hut ab! Von deinem Mut und deiner Willenskraft können sich so manche eine Scheibe abschneiden. Gib nicht auf! Dein Weg aus deiner Sucht ist Vorbild für andere, die in eine ähnliche Situation geraten sind.

    Und wer Abfälliges über Dich reden sollte, hat ein großes Problem mit sich selbst und im Umgang mit anderen Menschen. Die meisten machen lieber einen großen Bogen um Menschen, die andere diffamieren.

    Herzliche Grüße
    Volker

  3. Wie du schon sagst, Alkoholismus ist eine Krankheit. Du hast die Einsicht, unter Alkoholismus zu leiden. Das ist immer der entscheidende Schritt. Und du bist trocken. Was will man also mehr. Wer hier meint rumeiern zu müssen, kann einem nur leid tun. Ich möchte nicht wissen, wie es dem dann gehen würde, hätte er selber die Alkoholkrankheit.

    Lass dich nicht unterkriegen davon

    73

    Holger